Foto: Jakob Wierzba
Performance Festival in der kleinen Orangerie Berlin, 09.09.2023 um 19 Uhr, im Rahmen von Stadt findet Kunst, kuratiert von Steffi Weismann & Oliver Möst
Als Kind litt ich bis aufs Blut unter Neurodermitis. In purer Verzweiflung legten mir meine Eltern Gurkenscheiben auf den aufgekratzten Körper. Ob es meiner Haut wirklich genützt hat, kann ich nicht sagen. Und doch hat es geholfen: Ich bildete mir ein, dass mich das Kühle heilte. Dass sich die Nässe zwischen meine trockenen Poren legte. Dass es die Natur war, die mich stärkte. Doch womöglich lag es einfach nur an meinen Eltern und ihrer zutiefst menschlichen Geste des sich Kümmerns.
In jedem Moment zwischen Behaupten und Relativieren entsteht Reibung, die für mich lebendig und im besten Sinne dialogisch ist. In meiner künstlerischen Praxis möchte ich ambivalente Kräfte entfalten, Eindeutigkeit bekämpfen und das Vermassende zurückdrängen. Wo wir auch denken, verallgemeinern wir. Ohne Verallgemeinerung wäre wahrgenommene Realität nur ein ungeordneter Haufen irgendwelcher Zustände; wildes Chaos.
Allein unsere Sprache ist nur hinreichend: Wie sollen wir auch über die Dinge denken, wenn nicht in unpassenden Rahmen und undurchsichtigen Containern? Die Gurke als Heilmittel? Offene Haut als krank? Eltern als sich aufopfernde Kümmerer? Wir sind auf Verallgemeinerung sowohl angewiesen als auch zurückgeworfen.
Es ist eine diffizile Konstruktion aus Verausgabung und Identifikation notwendig, um überhaupt zu denken und zu sein. Und sehr wahrscheinlich liegt in jedem einzelnen Versuch ein Scheitern. Um unsere Unzulänglichkeit zu ertragen, kümmern wir uns. Um uns selbst, um andere, um die Welt. Kümmerlich.